Anamnese:
Allgemein:
-
22-jähriger Patient
-
voll orientiert
-
athletische Konstitution
-
Student
-
Schmerzen im rechten Unterbauch
Frage: Welche
Differenzialdiagnosen fallen Ihnen zum Thema Bauchschmerzen ein?
Differenzierung
der Beschwerden:
Die
Schmerzen hätten vor zwei Tagen begonnen. Zuerst seien sie im
Oberbauch lokalisiert gewesen; dann nach unten gewandert. Der Patient
habe solche Beschwerden noch nie gehabt. Einen Auslöser könne er
nicht benennen. Die Schmerzen seien mittelstark. Der Schmerz im
Oberbauch sei etwas schwächer und krampfartig gewesen. Der Schmerz
jetzt sei dauerhaft vorhanden. Er beschreibt es, wie als wenn ihm
jemand in den Bauch schlagen würde. Ausstrahlung gäbe es keine.
Frage: An
welche Krankheit(en) denken Sie, wenn Sie von einem Wandern der
Schmerzen hören?
Vegetative
Anamnese:
Er
berichtet über Appetitlosigkeit, Aufstoßen und Blähungen
(Stuhlgang bringe keine Erleichterung). Er glaube weiterhin, leicht
erhöhte Temperatur zu haben. Im Übrigen seien Übelkeit und
Erbrechen intermittierend vorhanden.
Vorerkrankungen:
keine
Medikamenten-
und Suchtanamnese:
Er
nehme keine Medikamente, rauche nicht und trinke nur selten Alkohol.
Reiseanamnese:
Er
sei in den letzten Monaten nicht verreist.
Familienanamnese:
Sein
Vater habe Darmkrebs gehabt; seine Mutter Eierstockkrebs.
Fragen: Haben
Sie schon eine Verdachtsdiagnose? Worauf legen Sie jetzt bei der
körperlichen Untersuchung wert?
Befund:
Allgemeines:
-
die Körpertemperatur liegt bei 38 Grad Celsius
Abdomen:
-
Loslassschmerz im linken und rechten unteren Quadranten
-
Klopfschmerz im rechten unteren Quadranten
-
muskuläre Abwehrspannung über große Teile des Abdomens
Labor:
-
Leukozyten: 16000/Mikroliter
Frage: Was
ist nun die wahrscheinlichste Verdachtsdiagnose, vor allem in
Anbetracht des Loslassschmerzes im Unterbauch?
(zur Auflösung bitte scrollen)
Erläuterung
zum Fallbeispiel "Akute Appendizitis"
Die
akute Appendizitis ist ein Krankheitsbild, welches vor allem durch
seine Hauptkomplikation, die Peritonitis, eine große Gefahr für
Leib und Leben darstellt. Wenn die Appendix platzt und sich das
eitrige Material im Bauchraum verbreitet, kann eine
Bauchfellentzündung entstehen, die sehr schwer zu behandeln und
langwierig sein kann. Deshalb ist eine zügige Diagnostik von
entscheidender Bedeutung.
Die
allgemeine Anamnese beschreibt einen Patienten im jungen
Erwachsenenalter, was für eine Appendizitis sehr typisch ist. Im
hohen Alter tritt sie sehr selten auf. Er klagt über Schmerzen im
rechten Unterbauch. Das kann natürlich erst einmal alles und nichts
sein. Deshalb kommt der Differenzierung der Beschwerden an dieser
Stelle eine besondere Bedeutung zu.
Der
Patient berichtet, dass die Schmerzen zwei Tage zuvor begonnen
hätten. Die Wanderung der Schmerzen ist ein erster Hinweis auf eine
Appendizitis. Der typische Fall einer Appendizitis ist, dass die
Schmerzen anfangs diffus im Bauch (oft am ehesten periumbilikal)
lokalisiert sind. Die Wanderung in den rechten unteren Quadranten
folgt dann im Verlauf. Oft begleitet von Übelkeit und Erbrechen, was
in der vegetativen Anamnese auch erscheint. Man muss sich allerdings
klarmachen, dass diese typische Symptomatik nur bei circa der Hälfte
aller Patienten auftritt.
Dass
der Patient solche Schmerzen noch nie gehabt habe, ist ebenfalls
typisch, ebenso wie das Fehlen eines klaren Auslösers.
Die
vegetative Anamnese gibt weiteren Aufschluss. Der Patient ist
appetitlos. Dieses Symptom ist bei einer Appendizitis eigentlich
immer vorhanden. Man kann also sagen, dass ein Patient mit Hunger
keine Appendizitis haben kann. Die Blähungen, bei denen Stuhlgang
keine Erleichterung bringt, sind ein weiteres Indiz. Die leicht
erhöhte Temperatur als Zeichen einer Entzündung wird später in der
körperlichen Untersuchung noch bestätigt und findet sich ebenfalls
bei den meisten Patienten mit dieser Erkrankung.
Bei
Schmerzen im Bauchbereich mit Übelkeit und Erbrechen muss auch immer
an eine Infektionskrankheit gedacht werden. Deshalb ist die
Reiseanamnese hier durchaus von Bedeutung. Dass beide Elternteile
Krebserkrankungen hatten, verwirrt in diesem Fall eher, als dass es
hilft. Denn natürlich könnte der junge Mann auch Krebs haben.
Dagegen allerdings spricht beispielsweise die räumliche Verlagerung
der Schmerzen im Krankheitsverlauf.
Bei
der Diagnostik steht nun natürlich die Untersuchung des Abdomens im
Vordergrund. Der beidseitige Loslassschmerz ist absolut typisch für
die Appendizitis, genauso wie der Klopfschmerz im rechten unteren
Quadranten. Die muskuläre Abwehrspannung ist ein eher seltenes
Zeichen bei einer Appendizitis kann aber vorkommen.
Das
Labor offenbart eine mittelstark ausgeprägte Leukozytose, wie sie
bei dieser Erkrankung vorkommen kann. Allerdings muss man sich
klarmachen, dass der Laboruntersuchung eine untergeordnete Rolle
zukommt, denn eine Leukozytose ist in diesem Zusammenhang nicht
obligatorisch. Besteht allerdings eine Leukozytose von über 20000
Zellen/Mikroliter, so muss man wissen, dass solch hohe Werte bereits
auf eine Perforation der Appendix hinweisen können.
Die
endgültige Diagnose der Appendizitis wird im Übrigen durch eine
Sonographie des Abdomens gestellt, wo man durch Sichtung einer
vergrößerten und wandverdickten Appendix die Diagnose relativ
sicher stellen kann.
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