Anamnese:
Allgemein:
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60 jähriger Patient
-
voll orientiert
-
blasses Gesicht
-
adipöse Konstitution
-
ehemaliger Berufskraftfahrer
-
Schmerzen im Oberbauch und im oberen Rücken
Frage:
Welche Differenzialdiagnosen fallen Ihnen in Bezug auf
Oberbauchschmerzen ein?
Differenzierung
der Beschwerden:
Die
Schmerzen hätten vor einer Stunde begonnen und seien seitdem stetig
stärker geworden. Er habe ähnliche Beschwerden schon öfter bei
Anstrengung gehabt. Sonst sei eine Besserung durch Ruhe eingetreten.
Jetzt hilft nichts.
Der
Patient beschreibt die Schmerzen als sehr stark. Die Qualitäten des
Schmerzes seien kompakt und eng. Ausstrahlungen könne er nicht
feststellen.
Vegetative
Anamnese:
Er
habe große Angst, Schweißausbrüche, allg. Schwäche, Übelkeit,
aber kein Erbrechen und atemunabhängige Atemnot.
Medikamenten-
und Suchtanamnese:
Er
sei Raucher (30 py). Medikamente: Nitrolingual bei Bedarf (sonst
Besserung seiner Beschwerden dadurch; diesmal nicht).
Sozioökonomische
Anamnese:
Er
sei geschieden und habe Geldsorgen.
Familienanamnese:
Viele
seiner Angehörigen hätten Krebs gehabt. Dazu wisse er von einem
Bandscheibenvorfall beim Vater.
Fragen:
Welche Verdachtsdiagnose wird durch das nun erfahrene
wahrscheinlicher? Worauf würden Sie bei der körperlichen
Untersuchung vor allem Wert legen?
Befund:
Herz/
Kreislauf:
-
Herzfrequenz: 50
-
Blutdruck: 110/70
-
verminderte Intensität der Herztöne
-
3. Herzton vorhanden
-
abgeschwächter Karotispuls
Labor:
-
Troponin I stark erhöht
Frage:
Welche Bedeutung kommt dem Troponin in diesem Fall zu? Wie lautet die
wahrscheinlichste Verdachtsdiagnose?
(für
Auflösung bitte scrollen)
Erläuterung
zum Fallbeispiel "Myokardinfarkt"
Dieses
Fallbeispiel ist bewusst so gewählt, dass man beim Kardinalsymptom
nicht sofort auf die Diagnose kommt. Schmerzen in Oberbauch und
Rücken sind für den Herzinfarkt nicht unbedingt Kardinalsymptome.
Man muss allerdings tatsächlich immer im Hinterkopf haben, dass ein
Herzinfarkt sehr viele verschiedene Erscheinungen haben kann. Es
müssen nicht immer Brustschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm
sein. Er kann sich auch nur durch Kieferschmerzen darstellen. Oder
gar komplett stumm sein.
Das
Alter und das Geschlecht dagegen passen sehr gut ins Bild. Auch die
Blässe ist ein Hinweis auf ein kardiales Geschehen.
Bei
der Differenzierung der Beschwerden sind verschiedene Schlüsse
möglich. Das Auftreten bei Anstrengung und die Besserung durch Ruhe
können zum Beispiel auf ein Bewegungsapparat-Problem hinweisen. Sie
sind allerdings natürlich auch typisch für eine Angina pectoris.
Die vegetative Anamnese mit Übelkeit und atemunabhängiger Atemnot
erhärtet dies. Dass der Patient Raucher ist, ist als Risikofaktor
für atherosklerotische Vorgänge zu sehen; genauso, wie die adipöse
Konstitution. Einen wichtigen Hinweis gibt die Medikamentenanamnese.
Der Patient besitzt bereits Nitrospray und berichtet, dass im
Normalfall dieses geholfen hätte. In der jetzigen Situation jedoch
ist dies nicht so. Bei diesem Fakt muss man hellhörig werden.
Schmerzen, die bisher durch Nitrolingual gut behandelbar waren, mit
einem Mal allerdings nicht mehr, weisen ganz klar in Richtung
myokardialen Geschehens.
Dass
der Patient geschieden ist und Geldsorgen angibt, und somit erhöhtem
Stress ausgesetzt sein könnte, ist als weiterer Risikofaktor zu
sehen. Die Familienanamnese ist eher verwirrend, aber dadurch sehr
praxisnah. Wie gesagt: Das Paradebeispiel einer Erkrankung ist nicht
so häufig anzutreffen. Vermutet hätte man familienanamnestisch
vielleicht Blut-/Herz- oder Gefäßerkrankungen.
Die
Untersuchung muss bei dieser Anamnese vor allem auf ein kardiales
Geschehen gelenkt sein. Die verminderte Herzfrequenz und die leichte
Hypotonie treten häufig in Zusammenhang mit einem Myokardinfarkt
auf; ebenso wie die verminderte Intensität der Herztöne in der
Auskultation. Auch zusätzliche Herztöne können vorhanden sein. Der
abgeschwächte Karotispuls untermauert die Verdachtsdiagnose.
Als
sicher kann die Diagnose dann durch das stark erhöhte Troponin I
gelten.
Wichtige
Differenzialdiagnosen zum Herzinfarkt sind: Lungenembolie,
Pneumothorax, akute Aortendissektion, akute Perikarditis,
Kostochondritis oder gastrointestinale Erkrankungen. Völlig abwegig
klingt hier das Glaukom (grüner Star), aber auch dieses kann
Schmerzen verursachen, die in den Brustkorb ausstrahlen.
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