Dienstag, 2. Oktober 2012

Fallbeispiel: Die müde Frau


Anamnese:

Allgemein:
- 50-jährige Frau
- voll orientiert
- normale Konstitution
- Patientin sei seit einer Woche sehr müde, habe seit drei Tagen leichtes Fieber und nun auch noch dezente Atemnot, weshalb sie jetzt zu Ihnen gekommen ist

Frage: An welche Differenzialdiagnosen denken Sie bei subakutem Fieber und Atemnot?

Differenzierung der Beschwerden:
Sie habe noch nie solche Beschwerden gehabt. Einen Auslöser könne sie nicht benennen. Sie habe vor vier Wochen eine Erkältung gehabt.

Vegetative Anamnese:
Die Patientin ist leicht unruhig. Sie fühle sich allgemein unwohl. Sie klagt weiterhin über Anfälle von Herzrasen, selbst wenn sie sehr müde ist. Sie schlafe derzeit sehr viel. Husten oder Auswurf habe sie nicht.

Vorerkrankungen:
Es sei nur ein leichtes Asthma bekannt.

Medikamenten- und Suchtanamnese:
Sie nehme keine Medikamente, rauche nicht und trinke wenig Alkohol.

Reiseanamnese:
Sie sei in den letzten Monaten nicht verreist.

Sozioökonomische Anamnese:
Sie sei verwitwet, aber es gehe ihr so weit gut. Sie arbeite als Angestellte im öffentlichen Dienst und sei mit ihrer Arbeit zufrieden.

Familienanamnese:
Ihr Großvater sei an einem Herzinfarkt gestorben. Ihr Vater habe Bauchspeicheldrüsenkrebs gehabt, diesen jedoch bis jetzt überlebt.


Befund:

Allgemeines:
- Patientin sieht blass aus
- Temperatur: 38,5 Grad Celsius (rektal)
Herz-Kreislauf:
- Herzfrequenz: 50/min
- Blutdruck: 110/70
- EKG: AV-Block I. Grades


Ein kniffliger Fall. Frage: Welche Differenzialdiagnose vermuten Sie am ehesten?


(zur Auflösung bitte scrollen)
























Erläuterung zum Fallbeispiel "Myokarditis"

Hierbei handelt es sich um eine knifflige Symptomatik, welche allerdings zu diesem Krankheitsbild passt. Die Myokarditis verläuft oft asymptomatisch. Auch ist sie oft nicht wirklich gefährlich. Aber es gibt eben Ausnahmen. Und deshalb wird dieses Fallbeispiel hier auch behandelt.
Bei der Myokarditis handelt es sich, wie der Name schon sagt, um eine Entzündung des Herzmuskels. Sie verläuft zumeist akut oder subakut; in der Regel klingt sie vollständig von selbst wieder ab. Die typischen Leitsymptome (, welche ja alles in allem recht unspezifisch sind) sind in diesem Fallbeispiel alle zu finden. Die Patientin hat mäßiges Fieber, fühlt sich schwach, verspürt leichte Atemnot. Beachtenswert sind die Anfälle von Herzrasen, welche in Ruhe beginnen. Dies ist ein relativ typischer Befund für die Myokarditis. Auch die durchgemachte Erkältung im Zusammenhang mit der derzeitigen Symptomatik sollte hellhörig machen. Oft gehen Infektionen der oberen Atemwege mit Myokarditiden einher, verlaufen allerdings meist ohne Symptome und heilen komplett wieder ab. Prinzipiell können alle Erreger, welchen den menschlichen Körper zu befallen vermögen, eine Myokarditis auslösen, allerdings spielen Coxsackieviren eine besondere Rolle, da sie überdurchschnittlich häufig im Zusammenhang mit dieser Erkrankung stehen. Der AV-Block I. Grades, welcher im Befund genannt wird, ist als Alarmsignal bei Verdacht auf Myokarditis zu sehen, denn Herzrhythmusstörungen in Zusammenhang mit einer Myokarditis sind als ein schwer verlaufender Fall zu werten, da dann ein plötzlicher Herztod droht, auch wenn dieser nicht zu häufig vorkommt.
In diesem Fallbeispiel ist die Reiseanamnese explizit erwähnt, da sie in jede Fiebersymptomatik gehört.
Allgemein kann man noch erwähnen, dass bei der Myokarditis folgende Komplikationen drohen: eine Herzinsuffizienz, eine Perimyokarditis (eine kombinierte Entzündung von Peri- und Myokard, wenn die Infektion also auf den Herzbeutel übergreift) und/oder eine dilatative Kardiomyopathie (, welche ihrerseits auch zu einer Herzinsuffizienz führen kann).
Die Therapie bei symptomatisch verlaufenden Myokarditiden besteht aus strenger körperlicher Schonung und medikamentöser Stabilisierung der Herzleistung. Bei Nachweis bakterieller Erreger kommt eine zielgerichtete Antibiotikatherapie dazu.
Eine große Bedeutung hat bei der Myokarditis die Rezidivprophylaxe, da Rezidive sehr häufig vorkommen und oft schwerer verlaufen als die Ersterkrankung.




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